
Auf dem Papier ist es ein Schnäppchen. Stellen Sie sich vor: Ein Ferrari 348 Spider aus dem Jahr 1994 in Rosso Corsa mit beiger Lederausstattung, manuellem Schaltgetriebe und 312 PS starkem V8-Saugmotor wird auf der Anzeigenwebsite Cars&Bids für 53.000 US-Dollar versteigert, was ungefähr 45.000 Euro entspricht. Mit anderen Worten: Der Preis eines neuen Abarth 600e, eines Alfa Romeo Junior Veloce oder eines Lancia Ypsilon HF aus dem Autohaus. Doch hinter diesem Gebot, das viele Autoliebhaber zum Träumen bringt, steht Ferrari verbirgt sich eine weitaus bewegtere Geschichte.
Der 348 Spider - ein Schlüsselmodell in der Ferrari-Geschichte
Der Ferrari 348 Spider, der 1993 vorgestellt und bis 1995 produziert wurde, ist ein Scharniermodell. Als erstes serienmäßiges Cabriolet aus Maranello markiert er den Übergang vom 328 zum späteren F355. Mit seinen Klappscheinwerfern, dem längs eingebauten 3,4-Liter-V8-Motor und dem manuellen Getriebe mit Metallgitter war er der letzte "analoge" V8-Ferrari vor der Einführung moderner Assistenten.
Sie wurde in einer Auflage von nur etwas mehr als 1.000 Stück produziert und ist heute bei Sammlern sehr begehrt. Exemplare in perfektem Zustand erzielen bei Auktionen regelmäßig einen Preis von über 100.000 €. Warum ging dieses also für weniger als die Hälfte dieses Preises weg?
Eine Vergangenheit, die alles andere als makellos ist

Die Verkaufsanzeige war eindeutig: "NOT a perfect Ferrari" (KEIN perfekter Ferrari). Und in der Tat hat dieser 348 eine Vergangenheit, die viele Sammler zurückschrecken lassen würde.
- 2001: Ein Brand im Motor-/Radbereich, der durch einen elektrischen Defekt verursacht wurde, erforderte umfangreiche Reparaturen.
- 2010: Ein schwerer Unfall mit einer geschätzten Reparaturkosten von 72.000 CAD (über 50.000 USD). Mehrere Außenschilder wurden neu gestrichen.
- 2025: Bei einer Inspektion werden mehrere Mängel festgestellt:
- Manchmal schwieriger Start,
- Klimaanlage und Kraftstoffanzeige außer Betrieb,
- Verdeck mit trüber Heckscheibe,
- Deckel des Sicherungskastens fehlt,
- Innenseite mit Gebrauchsspuren.
Dieser Ferrari ist alles andere als ein makelloses Museumsstück. Die vordere Stoßstange stammt von einem Ferrari F355, dem Nachfolger des 348. Ein Detail, das Puristen sofort auffällt. Im Innenraum wurde das Original-Autoradio durch ein modernes Pioneer-System ersetzt. Sogar die Windschutzscheibe trägt eine Markierung, die darauf hindeutet, dass sie nicht original ist.

Was bleibt: ein echter Ferrari zum Fahren
Doch trotz seiner belasteten Geschichte behält dieser 348 Spider das Wesentliche bei:
- Sein 3,4-Liter-V8 mit 312 PS, der immer lebhaft und singend ist,
- Sein manuelles Rasterschaltgetriebe, ein Symbol für pures mechanisches Vergnügen,
- Eine von Pininfarina entworfene Linie, die zeitlos bleibt.
Der Verkäufer bestand übrigens darauf, dass der Motor rund läuft, keine Fehlercodes aufweist und der Auspuffton normal ist. Das Auto wird mit Schlüsseln, Handbüchern und einer Wartungsverfolgung geliefert, zu der auch die wertvolle Zahnriemenüberholung gehört, die 2020 durchgeführt wurde.

Eine riskante Wette, aber ein erschwinglicher Ferrari
Diese Auktion zeigt einen wachsenden Trend: Einige Enthusiasten ziehen einen "unvollkommenen", aber fahrbaren Ferrari einem perfekten Exemplar vor, das sie ohne Angst vor Wertverlust nicht nutzen können. Für 45.000 € bekommt der Käufer ein authentisches Ferrari-Erlebnis: Das Verdeck ist unten, der Metallhebel klappert im Grill und der heulende V8 hinter den Sitzen.
Aber er weiß auch, dass jede Fahrt mit neuen Kosten einhergehen könnte. Wie der Verkäufer erinnerte: Selbst ein "perfekter" 30 Jahre alter Ferrari wird immer regelmäßige und teure Wartung benötigen.
Also ein Schnäppchen oder eine Falle?
Was verbirgt sich also dahinter? Ganz einfach die Narben einer bewegten Vergangenheit. Ein Unfall, mehrere Reparaturen und kleine Pannen... Dieser 348 Spider ist keine Wettbewerbskönigin, sondern ein Ferrari "zum Leben". In einer Zeit, in der die Preise für Youngtimer in die Höhe schnellen, erinnert diese Auktion daran, dass man einen Ferrari auch besitzen kann, ohne Millionär zu sein - vorausgesetzt, man akzeptiert es, in einer Ikone mit einer zerbeulten Vergangenheit zu fahren. Und für den Käufer spielen diese Kratzer keine Rolle, denn er besitzt nun einen echten Ferrari mit Mittelmotor - zum Preis eines Elektroautos.
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